Sonde geborgen – erster Erfolg des Projekts „BvA-Wetterballon“

2018-01-03 (7)

„Der Klimawandel ist eine Erfindung…“, ist nur eines vieler umstrittener Zitate des US-Präsidenten Donald Trump. Wie geht man mit dieser oder ähnlich lautenden Äußerungen von Skeptikern des Klimawandels um? Wie kann man in Zeiten von „alternativen Fakten“ und einer Flut an widersprüchlicher Information als Schüler/in überhaupt noch Wahrheit und Fälschung voneinander unterscheiden?

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Indem man selbst aktiv wird und selbstständig nach Antworten sucht. Die Frage von Schülern im Unterricht, ob man Klimaänderungen in der Atmosphäre eigenständig messen könnte, war der Beginn des Wetterballon-Projektes am Bettina-von-Arnim-Gymnasiums. Unter der gemeinsamen Leitung der Lehrkräfte Marcel Essers, Saber M´Barek und Ina Hohn bewarb sich die Schule mit der Projektidee am Schulwettbewerb „DIGIYOU“ und erhielt für die weitere Teilnahme eine Prämie in Höhe von 500€, die als „Startkapital“ zum Bau einer Klimasonde mit selbst gebauter Messtechnik und den Erwerb eines Wetterballons genutzt wurde. Die Projektidee eines Wetterballons zur Erfassung von Klimadaten überzeugte durch innovative und nachhaltige Ideen und lässt die Kreativität der Schüler und der Lehrer erkennen.

Das Wetterballonprojekt soll Schülerinnen und Schülern ermöglichen, wissenschaftliche Daten zum Klimawandel und der Atmosphärenforschung eigenständig zu erheben und zu evaluieren. Dazu haben  interessierte Schülerinnen und Schüler innerhalb der eigens geschaffenen Wetterballon-AG eine Sonde mit einem selbst programmierten Kleinstcomputer (Raspberry Pi) versehen, der mit verschiedenen Sensoren bestückt ist und während des Fluges Daten zu Temperatur, Luftfeuchtigkeit, CO2-Gehalt und Luftdruck aufnimmt, per GPS seine Position und Höhe ermittelt und diese auch per SMS überträgt. Natürlich sind für die Dokumentation solch einzigartiger Blickmöglichkeiten auf die Erde auch mehrere Kameras an Bord, die den Flug des Ballons aufzeichnen. Der Wetterballon soll beim Aufstieg eine voraussichtlich maximale Flughöhe von  bis zu 34.0000 Metern erreichen, bevor er in der Stratosphäre zerplatzt und die Sonde an einem Fallschirm sicher zur Erde zurückkehrt und am Landeplatz mittels Ortung über GPS wieder eingesammelt wird . Für die Befüllung des Ballons sind über 4000 Liter Helium-Gas notwendig, die die Schule durch ein Sponsoring der Firma Praxair zur Verfügung gestellt bekommt. Auch weitere Dormagener Unternehmen unterstützen das Projekt finanziell, so dass alle finanziellen Hürden und behördliche Auflagen erfolgreich gemeistert werden konnten. Der Start des Wetterballons für seinen rund dreistündigen Ausflug in die Stratosphäre erfolgte am 18.12. 2017 um 10 Uhr vom Schulgelände des Bettina-von-Arnim-Gymnasiums.

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Bereits um 7 Uhr morgens begannen die Vorbereitungen: Zunächst musste für den Flugtag eine gesetzlich vorgeschriebene Freigabe der Deutschen Flugsicherung telefonisch eingeholt werden, um durch den nicht steuerbaren und rund zwei Meter großen Ballon keine Behinderung oder gar Gefährdung des Flugverkehrs über dem Dormagener Himmel zu verursachen. Die Freigabe wurde trotz leichter Bewölkung und kalter Temperaturen glücklicherweise erteilt und löste alsbald unter den am Projekt beteiligten Schülern und Lehrkräften neben Vorfreude auch eine betriebsame Hektik aus. Denn das genehmigte Zeitfenster für den Ballonaufstieg betrug lediglich 1 Stunde und endete um zehn Uhr morgens.

Nun galt es, den selbst gebauten Klimalogger zu aktivieren, die vielen Sensoren, Kameras und GPS-Tracker auf Funktionstüchtigkeit zu prüfen und alles sicher in der Styroporbox unterzubringen, bevor diese mit reichlich „Panzertape“ versiegelt wurde. Auf dem Schulhof begann derweil ein zweites Team mit dem Befüllen des Wetterballons. Die empfindliche Haut des Wetterballons durfte nur mit Baumwollhandschuhen berührt werden, um eventuelle Beschädigungen zu vermeiden. Der doch  beträchtliche Zeitaufwand, über 4100 Liter Heliumgas aus großen Druckflaschen in einen Ballon zu füllen, wurde von den Projektteilnehmern  unterschätzt und so rückte mit dem langsamen Ausdehnen und Erheben des weißen Ballons auch das Ende des Zeitfensters immer näher. Jeder Griff der Teammitglieder musste beim Befüllen behutsam aber zugleich sicher ablaufen, um nicht den Ballon aus Versehen vorzeitig aufsteigen zu lassen. Glücklicherweise liefen alle weiteren Vorbereitungen nach Plan und pünktlich um 10 Uhr wurde der Ballon nach einem angezählten Countdown der auf dem Schulhof anwesenden Schüler und Lehrkräften in den Himmel entlassen. Aufgrund der Bewölkung konnte man das Emporsteigen der Klimasonde nach wenigen Minuten nicht mehr verfolgen, aber nach kurzer Zeit versendete der eingebaute GPS-Tracker eine SMS mit einer aktuellen Höhe von über 500 Metern. Nun galt es, zu warten, da eine Mobilfunkverbindung in großen Höhen nicht mehr  funktioniert. Die per Computersoftware vorausberechnete Flugroute hatte eine Flugdauer von knapp 3 Stunden und den Raum Heidelberg/ Mannheim als ungefähre Landezone ausgegeben. Derweil kreisten die Gedanken der Projektteilnehmer rund um den Ausgang des Abenteuers: Was wenn, der Fallschirm nicht funktioniert? Fällt die Messelektronik bei Temperaturen um -60 °C aus? Was passiert, wenn der GPS-Tracker keinen Handyempfang hat? Drei Stunden nach dem Start stieg die Unruhe und häufte sich der Blick aufs Smartphone. Immer noch keine Nachricht. Zwar war die Styroporbox auch mit einem Aufkleber mit Adressdaten für eventuelle Finder ausgestattet, aber wann und wo würde man diese finden? Tage, Wochen, Monate? Dann endlich, nach 3 Stunden und 20 Minuten unterbrach ein Summton mit einer eingehenden SMS die drückende Stille. Die Sonde meldete sich im Sinkflug aus der Nähe von Kaiserslautern. Jubel brach aus. Zusammen mit zwei Schülern des Wetterballonprojekts brach Chemielehrer Marcel Essers direkt auf, um die Sonde zu bergen.

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Nach weiteren drei Stunden und 300 Kilometern Fahrt gelangten sie dann zum übermittelten Landeort der Sonde in einem Waldgebiet nahe dem Ort Schopp bei Kaiserslautern. Bei frostigen Temperaturen stapfte das „Rettungsteam“ durch den verschneiten Wald, die Blicke in die Baumkronen gerichtet, um die Sonde oder den roten Fallschirm irgendwo zu erspähen. Nach wenigen Minuten dann findet das Suchtrupp endlich die Sonde, in 8 Metern Höhe an einem Baum hängend. Die Freude über das Auffinden der Sonde und deren augenscheinlich unversehrte Rückkehr schlug aber schnell in Frustration um, als man feststellen musste, dass eine Bergung aus dem Baum nicht ohne weitere Hilfe gelingen würde und die einsetzende Dämmerung alle weiteren eigenständigen Bergungsversuche unmöglich machte. Ein Anruf  beim zuständigen Forstamt mit der Bitte um Hilfe blieb wegen der Überlastung der Förster in der Vorweihnachtszeit leider ergebnislos, ein Verweis an die örtliche freiwillige Feuerwehr blieb an dem Abend ohne Rückmeldung, so dass das Bergungsteam sichtlich enttäuscht und müde die  lange Heimreise antreten musste – mit leeren Händen.

Dann klingelte am nächsten Morgen kurz vor Unterrichtsbeginn das Handy von Marcel Essers, am anderen Ende  Harry Bachmann, ein Mitglied der freiwilligen Feuerwehr in Kaiserslautern-Schopp. Durchaus angetan von der abenteuerlichen Unternehmung der Dormagener Schüler erklärte sich die örtliche Feuerwehr gerne bereit, die Bergung der Sonde zu übernehmen. Durch die folgenden Weihnachtstage musste die Klimasonde weiter im Baum ausharren, um dann nach einer Woche durch einen heldenhaften Einsatz der freiwilligen Feuerwehr endlich wieder vollständig den Erdboden berühren zu können. Die Rückreise bis nach Dormagen vollzog die Sonde dann ganz erdverbunden- per Paketversand, die dann am 3. Januar wieder bei den „Absendern“ glücklich in Empfang genommen wurde

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Das Öffnen der Box war, so Lehrer Essers, „wie ein zweites Weihnachten“. Eine Mischung aus Freude und vor allem Neugier, was die während des Fluges gesammelten Daten und Videoaufnahmen wohl preisgeben würden. Das „Geschenk“ für die monatelange Vorbereitung der Projektgruppe waren eine wahre Fülle an Messdaten und atemberaubende Blicke auf die Erde aus über 35 Kilometern Höhe. Es ist selten, dass die Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeit – bei den Schülerinnen und Schülern wie Lehrkräften gleichermaßen – so viel Staunen, Stolz und Freude bereiten.

Marcel Essers, Bettina-von Arnim- Gymnasium Dormagen