Seit dem 13.11.2014 befindet sich eine Gruppe von 16 Schülerinnen und Schülern der 11. Jahrgangsstufe des BvA mit ihren Lehrern Stefanie Hecke und Sascha Deden und Heidi Ruetz, der Abgesandten des Partnerschaftsvereins Kiryat Ono – Dormagen bei ihren Austauschfamilien in Kiryat Ono.
Bei der Planung des zweiten Austausches mit der Ben Zvi Highschool, unserer Partnerschule, waren wir uns der angespannten politischen Lage in dem Land durchaus bewusst – nachdem im April die Flüge gebucht waren, haben sämtliche Schüler und Lehrer während des Krieges im Sommer mit ihren Austauschpartnern mitgefühlt, aufgrund massiver Sicherheitsbedenken auch die Möglichkeit des Austauschs insgesamt in Frage gestellt. Nachdem sich die Lage zwischenzeitlich beruhigt hatte, gaben die Jerusalemer Unruhen der letzten Wochen vor der Abreise erneut Anlass zur Sorge, Eltern, Schüler, Lehrer und Schulleitung haben darüber beraten, ob der Austausch stattfinden sollte, und sich nach Rücksprache mit der israelischen Schule dafür entschieden, die Reise anzutreten.
Wir fragten uns: Wie werden wir die Stimmung im Land erleben? Wird sie so angespannt sein, wie uns die Medien glauben machen wollen? Wie werden sich die Anschläge auf das Verhalten der Israelis im Alltag auswirken? Wie werden wir auf Unvorhergesehenes reagieren?
Im Vorfeld der Reise zeigten sich unsere Ansprechpartner bei unserer Austauschschule verwundert ob der dramatischen Berichterstattung in den deutschen Medien, für sie bedeuteten die Anschläge und Unruhen in Jerusalem bis zum heutigen Tag, dass sie bestimmte Stadtteile Jerusalems meiden würden, sie ansonsten ihr Leben weiter gestalten wie sonst auch.
Auch das Programm unseres Besuches in Kiryat Ono passten sie umsichtig den tagesaktuellen Ereignissen an, so besichtigten wir nach sehr herzlichem Empfang in den letzten Tagen gemeinsam mit israelischen Austauschpartnern Yafo und Tel Aviv, konnten beim Besuch der Stätte der Ausrufung des Staates Israel durch Ben Gurion am 14.05.1948 aufgrund mitreißender Vorträge und originaler Tonbandaufnahmen die Bedeutung dieses Moments für die Juden weltweit hautnah miterleben. Andere Programmpunkte wie der Besuch des Toten Meeres oder der Altstadt Jerusalems wurden aufgrund von Sicherheitsbedenken der verantwortlichen Lehrer durch unbedenkliche ersetzt.
Bei unseren Besuchen in Yafo und Tel Aviv konnten wir von einer angespannten Stimmungslage nicht viel feststellen. Voll besetzte Straßencafes und lachende Menschen zeugten von Lebensfreude, nicht Angst, so dass sich auch unter unseren Schülern eine ausgelassene Stimmung breit machte.
Bei einem Gespräch mit unseren beiden sehr erfahrenen Reiseleitern Odet und Baruch in einem Straßencafè in Tel Aviv fragten wir, wie sie die Situation derzeit erleben würden und ob sie die von uns geäußerten Bedenken und teilweise auch Ängste nachvollziehen könnten, oder davon eher genervt seien. Sie betonten, dass sich unsere Austauschpartner besonders gefreut haben, dass wir die Reise trotz der Vorfälle der vergangenen Wochen angetreten sind, sie sich sehr wohl darüber bewusst seien, dass die Situation von uns, die wir im Alltag nicht unmittelbar damit konfrontiert sind, anders wahrgenommen wird als von ihnen.
Unsicher fühlte sich in dieser fachkundigen Begleitung niemand, sie informierten uns auch darüber, dass das israelische Schulamt jeden einzelnen Ausflug mit Schülern genehmigen muss, sie eine Standleitung aufgebaut haben, die über aktuelle Veränderungen sofort berichtet, so dass darauf umgehend reagiert werden kann.
So traten wir am 16. 11.2014 eine zweitägige Reise über Haifa, Akko, Nazareth zum See Genezareth an, wo wir in der Nähe von Kafarnaum in einer Jugendherberge Unterschlupf fanden.
Einzig in Nazareth, als wir vollkommen allein in der Verkündigungskirche waren, ließen sich aufgrund mangelnder Touristen Konsequenzen der jüngsten Ereignisse ablesen, was der Stimmung unter den Schülern jedoch keinen Abbruch tat.
Der Tag heute allerdings begann mit der Nachricht des brutalen Anschlages auf betende Juden in einer Synagoge in Westjerusalem. Nach der Lektüre der Tagesschau- Webseite und anderer meinungsbildender Zeitschriften und Zeitungen erwarteten wir einen Aufruhr unter Schülern, Lehrern, … dieser blieb jedoch aus. Yael, die für den Austausch zuständige Lehrerin unserer Partnerschule stellte kurzerhand das Programm für morgen um, reduzierte es auf den Besuch der Gedenkstätte für die Opfer der Schoah, Yad Vashem, und die Knesset, das israelische Parlamentgebäude, strich unaufgeregt den Besuch der Klagemauer, der jerusalemer Altstadt allgemein und des Ölberges.
Während des Besuches einer Chemiestunde von Igal, der uns Lehrer während unseres Besuches beherbergt, war die Stimmung ausgelassen. Zuerst führte er den Schülern Energie erzeugende Experimente vor, dann buken sie gemeinsam mit ihren Hosts Kuchen, die sie lautstark verspeisten.
Auch der Besuch beim Vizebürgermeister im Rathaus ließ die politischen Ereignisse des Tages nicht erahnen, die Israelis ließen sich dadurch nicht davon abhalten, ihr Leben so weiterzuführen, wie sie es wollen. Also fuhren wir zum childrens museum in Holon, in dem wir die Erfahrung machen durften, in vollkommener Dunkelheit verschiedene Räume mit unseren anderen Sinnen zu erfahren. Abends beim Essen erklärten Yael und Giora, beide Geschichtslehrer der Schule, in einem intensiven Gespräch, dass Israelis aufgrund ihrer Geschichte gelernt haben, mit diesen Situationen umzugehen, sie weigern sich, ihr Leben durch Angst vor Attentaten bestimmt zu sehen.
Auch heute abend waren die Restaurants voll besetzt, die Gäste an den Tischen in guter Stimmung. Wenn wir nicht selbst die Nachrichten gesehen hätten, hätten wir wahrscheinlich nichts von dem, was in dem Land vor sich geht, mitbekommen. Wir fühlen uns von unseren israelischen Austauschpartnern sehr gut aufgenommen, vielleicht auch abgeschirmt.
Morgen werden wir Yad Vashem und die Knesset besuchen, ein hohes Polizeiaufgebot auf den Straßen erleben, das uns hoffentlich nicht davon abhalten wird, diese einzigartigen Erfahrungen in uns aufsaugen zu können.
Stefanie Hecke